Dienstag, 14. Oktober 2008

"Der Intellektuelle schlägt zurück" oder "Wie RTL aus einem verbalen Anschlag Schlagsahne macht"



Marcel Reich Ranicki hat den Ehrenpreis des Deutschen Fenrsehpreises 2008 vor laufenden Kameras abgelehnt. "Recht hat der Mann" schreibt die taz dazu am Montag.
Inhaltlich ist Ranickis Ablehnung bestimmt nichts hinzuzufügen. Deutsches Fernsehen ist zu 95 Prozent Schrott! Unterhaltung bildet bestenfalls, manchmal richtet sie keinen Schaden an, doch viel zu oft manipuliert sie, indem sie von den wichtigen Dingen ablenkt, desinformiert oder herrschende gesellschallschaftliche Stereotype mehr oder weniger subtil indoktriniert.
Dass ein Intellektueller alter Schule wie Reich Ranicki bei der ZDF Preisverleihung fehl am Platz ist, war ihm selbst sicherlich schon vor der Show klar. Dennoch spielte er mit und sorgte mit seinem "Auftritt" für das absolute Highlight der ansonsten einstimmig als eher lahm befundenen Preisverleihungsshow.
Genauso wie der Kapitalismus es bestens versteht, antikapitalistische Positionen zu benutzen, um daraus erneut Kapital zu schlagen, so wissen die niveaufernsten Fernsehsender, aus einer verbalen Ansage- die sich entschieden gegen ihr Programm richtet- neues "Klatschprogramm" zu machen. Seit Montag wird das Ereignis in den Klatschsendungen der Privaten weiter hochgekocht. Ex-RTL-Geschäftsführer Helmut Thoma titulierte das Geschehen längst als „pure Comedy“. Ranicki wird so zum Teil dessen , was er kritisiert. Aber auch das weiß er natürlich. Wäre er dem Preis ferngeblieben und hätte seine Absage stattdessen lediglich schriftlich bekanntgegeben, hätte sie wohl kaum solch eine Aufmerksamkeit geschenkt bekommen. Aufmerksamkeit um jeden Preis ist das Credo des Privatfernsehens (und auch immer mehr das der öffentlich Rechtlichen), in diesem Punkt ist Reich Ranicki dem Fernsehen gar nicht so unähnlich. So können wir uns -und natürlich im besonderen Ranicki sich selbst- auf eine Exclusiv- Sendung zu alldem, was im Fernsehen zu kurz kommt, freuen. Nur sollte Ranicki, trotz seiner berechtigten Kritik an der Kulturverarmung des Fernsehens, dabei nicht als zeitgemäßer KulturRepräsentant verstanden werden. Sein Kultur- und v.a. sein Kunstverständniss verharren dafür zu sehr im Gestrigen. Der Literaturkritiker feiert nicht nur stetig sich selbst, sondern immer auch wieder die großen Klassiker der Literatur und der klassischen Musik als selbstgerechtes Bildungsgut. Analog dazu: "Den ästhetisch avancierten Nerven ist das selbstgerecht Ästhetische unerträglich geworden" schreibt Wolfgang Welsch (in "Ästhetisches Denken") und weiter: "Entwickelte Ästhetik sucht Anästhetik( Das Unsinnliche, das dem Sinnlichen entweichende) oft als Fluchtpunkt, um Selbstgefälligkeit zu entgehen". Während die Ästhetik das Empfinden stark macht, thematisiert Anästhetik die Empfindungslosigkeit - im Sinn eines Verlusts, einer Unterbindung oder der Unmöglichkeit von Sensibilität - von der physischen Stumpfheit bis zur geistigen Blindheit, wobei wir wieder beim Fernsehprogramm sind.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite