Dienstag, 7. Oktober 2008

Kunst in einer Welt ohne Leid und Unrecht



Wie sähe eine Kunst in einer Welt ohne Unrecht, Leid und Trauer aus? Was für Geschichten würde sie uns erzählen? Was würde sie den Menschen überhaupt bedeuten?
Eine Welt ohne Unglück erträumen sich heute wie damals viele.
Das Wort Utopie geht dabei auf Thomas Mores Erzählung "Utopia" zurück.
Das Buch war genreprägend für die spätere Literatur, nicht nur für die des Science Fiction und der Fantasy.
Mit der Vorstellung und dem fiktiven Entwurf von utopischen oder dystopischen(negative Zukunftsvision) Staaten haben sich nach Thomas More dutzende von Philosophen und Autoren immer wieder beschäftigt, unter ihnen z.B. H.G. Wells oder George Orwell. Die positiven Utopien führten in ihrem Konstrukt oft in eine Welt, in der es kein Unrecht mehr gab, in der alle glücklich waren, da aller Reichtum und alle Güter gleich verteilt waren, da jeder seinen Fähigkeiten entsprechend Arbeit hatte und mit dieser auch zufrieden war. Die radikalste Folge daraus: Keine Kriege, Kein Hunger, Kein Elend, keine Trauer, kein Unrecht. Stattdessen absolute und uneingeschränkte Glückseligkeit.
Das manipulierte Glückseligkeit kein echtes Glück beinhaltet, wurde auf beeindruckende Weise von Aldous Huxley in seiner "Brave New World" dargestellt. Doch wie sähe es aus, wenn man Glück nicht mehr im dualistischen Sinne definieren müsste, ja es vielleicht gar nicht könnte, wenn ein jeder sich zur jeden Zeit ohne Zweifel glücklich fühlen würde?
H. G. Wells zeichnet in seinem Roman "Time Machine" ein Bild von einer glücklichen, ihrer intellektuellen Qualitäten jedoch beraubten Menschheit der Zukunft dar. Der zeitreisende Protagonist findet Menschen, die wie Tiere und weitestgehend ohne ihren Verstandesgebrauch leben. In der Sonne dahinvegetierend sind sie alle dumm, aber glücklich. Die Bücher ihrer Vorfahren lassen sie in einer zerfallenen Bibliothek vergammeln; sie können nichts damit anfangen.
Wie wäre es jedoch, wenn die Menschen der Zukunft glücklich und intelligent, d.h. gebildet wären? Würde ihr immerwährendes Glück sie nicht irgendwann so langweilen, dass sie die gewonnene Harmonie zerstören würden, in dem sie neue Kriege anzetteln, vielleicht nur aus Neugier auf der Suche nach anderen menschlichen Gefühlen( Zorn, Hass, Trauer), die sie nie kennenlernen konnten?
Doch gehen wir ein Moment davon aus, die Menschen der Zukunft wären nicht nur absolut glücklich, sondern würden es auch bleiben, da sie mit ihrem Glücklichsein auch absolut zufrieden sind. Was würde das für die Kunst bedeuten? Hätte Kunst überhaupt noch eine große Wirkung auf die Menschheit?
Welche Bedeutung hätte sie? Hätte sie überhaupt noch eine Bedeutung?

Kunst resultiert oft zu einem großen Teil aus individuellem, persönlichen oder gesellschaftlich, politischem Missbehagen. Der Zustand der Melancholie war auch immer zugleich ein Quell der Inspiration. Was würde nun mit der Kunst passieren, wenn es diesen Zustand des Unzufriedenseins, der Angst, der Not, der Wut und der Verzweifelung plötzlich nicht mehr geben würde?
Was für eine Kunst zu produzieren, wäre eine sich vielleicht trotzdem
nicht langweilende Gesellschaft im Stande? Kunst um der Kunst willen wäre nun vielleicht tatsächlich zum ersten Mal möglich. Nur welche Themen würde diese Kunst aufgreifen und viel wichtiger, wie reich wäre diese Kunst noch, wenn sie all ihrer negativen Emotionen und Intentionen beraubt wäre?

Paul Klee sagte: "Je schreckensvoller diese Welt, desto abstrakter die Kunst,
während eine glückliche Welt eine diesseitige Kunst hervorbringt."
Wäre solch eine Kunst in ihrer absoluten Diesseitigkeit dann nicht viel zu offensichtlich und monoton?Oder aber anders herum gedacht, könnte aus einer absolut diesseitigen Kunst ein neuer kritischer Realismus entwachsen?
Absolute Diesseitigkeit kann auf nichts Inkonkretes mehr verweisen.
Wie könnte Adornos Diktum "Kunst sei Magie, befreit von der Lüge, Wahrheit zu sein" noch auf solch eine Kunst zutreffen? Wie soll "Magie" im absoluten Diesseits noch existieren können?
Braucht die Kunst nicht egal unter welchen Umständen im Endeffekt immer ein bisschen Unrecht auf dieser Erde?

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